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Neue Fragen

Denkansätze über das Naturgegebene

ARENDT, HANNAH, Denktagebuch 1959 - 1973, Erster Band, Hrsg: Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann, Piper Verlag, München, 2002.

'Solidarität: Alle Solidaritätsbegriffe tragen noch deutliche Spuren der ersten und ursprünglichsten Solidarität aller Menschen (also des Menschen) gegen die Natur. Solche Solidarität von Einem gegen alles Andere ist aber unter Menschen nie erlaubt. Es gibt keine unbedingte Solidarität. Das "wir sitzen alle in einem Boot" ist ein Beispiel der falschen, verabsolutierenden Solidarität.
Der Gruppenbegriff mitsamt seiner Bezogenheit auf die Teil-Ganzes-Kategorie stammt aus der Solidarität des Menschen gegen die Natur.' (S. 127)


' [...] Das Element der Zerstörung in allem Herstellen: Der Baum wird zersört, um Holz zu werden. Nur Holz, aber nicht der Baum, ist Materie. Materie also ist gerade schon ein Produkt des Menschen, Materie ist zerstörte Natur. "The human artifice" [...] entsteht, indem der Mensch lebendige Natur so behandelt, als sei ihm das Material gegeben, d.h. indem er sie als Natur zerstört. Das Holz ist der Tod des Baumes.

So wie Gott den Menschen geschaffen hat, aber nicht die Menschen und sicher nicht Völker, so hat Gott die Natur geschaffen, aber nicht die Materie. [...]' (S.61)


GOETHE, JOHANN WOLFGANG,
VEB Bibliographisches Institut Leipzig, Goethe - Auswahl in drei Bänden, Erster Band, Der junge Goethe, 1956, S. 416-417.

'Das volle warme Gefühl meines Herzens an der lebendigen Natur, das mich mit so vieler Wonne überströmte, das ringsumher die Welt mir zu einem Paradiese Schuf, wird mir jetzt zu einem unerträglichen Peiniger, zu einem quälenden Geist, der mich auf allen Wegen verfolgt. Wenn ich sonst vom Felsen über den Fluß bis zu jenen Hügeln das fruchtbare Tal überschaute, und alles um mich her keimen und quellen sah; wenn ich jene Berge, vom Fuße bis auf zum Gipfel, mit hohen dichten Bäumen bekleidet, jene Täler in ihren mannigfaltigen Krümmungen von den lieblichsten Wäldern beschattet sah, und der sanfte Fluß zwischen den lispelnden Rohren dahingleitete und die lieben Wolken abspiegelte, die der sanfte Abendwind am Himmel herüberwiegte, wenn ich dann die Vögel um mich den Wald beleben hörte, und die Millionen Mückenschwärme im letzten roten Strahle der Sonne mutig tanzten, und ihr letzter zuckender Blick den Summenden Käfer aus seinem Grase befreite, und das Schwirren und Weben um mich her mich auf den Boden aufmerksam machte, und das Moos, das meinem harten Felsen seine Nahrung abzwingt, und das Geniste, das den dürren Sandhügel hinunter wächst, mir das innere glühende, heilige Leben der Natur eröffnete: wie faßt' ich das alles in mein warmes Herz, fühlte mich in der überfließenden Fülle wie vergöttert, und die herrlichen Gestalten der unendlichen Welt bewegten sich allebend in meiner Seele.'


JASPERS, KARL, Descartes und die Philosophie, Walter de Gruyter & Co., Berlin, 1966, S. 80.

'Die Freiheit in der Loslösung von allem ist wirklich als reines Denken. Dieses aber, indem es die sinnliche Anschauung überwindet, verliert auch die Erfahrung. Es entfremdet sich der Natur. In dem durch Klarheit und Deutlichkeit geforderten mechanistischen Denken wird nicht mehr auf dem Wege der Naturforschung erkannt, sondern vermöge eines mechanistischen Weltbildes wird die Welt zu einer Maschine und werden die Lebewesen zu Automaten.'


ORTEGA Y GASSET, JOSÉ, Gesammelte Werke in vier Bänden, Band 1, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1950, S. 40.

Wir Menschen haben die Welt in Fächer eingeteilt, denn wir gehören doch zur Spezies der Klassifikatoren. Jedes Fach entspricht einer Wissenschaft, und darin eingeschlossen ist ein Haufen von Wirklichkeitssplittern, die wir im ungeheuren Steinbruch der Mutter Natur aufgeklaubt haben. In Gestalt dieser kleinen Splitterhäufchen, zwischen denen eine - bisweilen kapriziöse - Übereinstimmung besteht, besitzen wir die Trümmer des Lebens. Um zu solchem seelenlosen Besitz zu kommen, mussten wir die ursprüngliche Natur zergliedern, mussten wir sie töten.